Wie ein Boxer der immer wieder aufsteht

Vorwort
Ich gehe nun stark auf die 50 zu. Schon länger überlegte ich mein bisheriges Leben, das sehr chaotisch verlief, einfach mal niederschreibe. 
Auch merkte ich das diverse Erinnerungen immer mehr verblassen, ich hoffe ich bekomme kein Alzheimer. 
Vielleicht werde ich hier in der Zeit hin und her springen oder es bleibt chronologisch, mal sehen wie es sich entwickelt. Auch weiß ich das dies hier wahrscheinlich in diversen Foren ein gefundenes Fressen für meine Hater sein wird, aber egal, manchmal muss man da durch und sich alles von der Seele reden, bzw. schreiben.
Dafür gibt es keinen Zeitplan, sondern es wird sporadisch passieren, eben nach Lust und Laune.
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Mein Vater vor dem Hotel Victoria
Nun geboren wurde ich am 15.April 1965. Mein Vater war Nachtportier im Hotel Victoria in Nürnberg und meine Mutter war dort Zimmermädchen. Ein Wunschkind war ich nur für meine Mutter, sie wollte sich eben meinen Vater angeln. Angeblich hat sie ihn leicht bekleidet in seinem Zimmer für Bedienstete empfangen und da soll ich in dieser Nacht entstanden sein. Nun, damals wurde noch geheiratet wenn sie durch ihn schwanger wurde. Mein Name "Klaus-Dieter" wurde aus dem Vornamen meines Vaters und meines Onkels kreiert.
Meine Mutter und ich mit 3 Monaten
Zu dieser Zeit wohnten wir am Hummelsteiner Weg in Nürnberg, ich war glaube ich drei Jahre alt, als wir in ein Fachwerkhaus in der Kleinweidemühle zogen. An meinen zweiten Lebensjahr kam mein Bruder Peter zur Welt. Er hat leider einen Herzfehler und verstarb kurz nach der Geburt. Eine ganze zeit lang träumte ich in meiner Jugend von einem Kind, ca 1 Jahr alt, das über die Straße lief und ich bildete mir immer ein dies wäre mein Bruder gewesen. Blödsinn zwar im nachhinein, doch ich dachte es wirklich so. An die Wohnung in Kleinweidemühle hab ich nur noch vage Erinnerungen. Einmal habe ich die Wohnung fast mit einem Tauchsieder abgefackelt. Beim aufwärmen von einem Wassertopf hatte ich diesen Tauchsieder auf die Seite gelegt, allerdings ohne den Stecker zu ziehen und dann noch auf den, damals noch nicht verbotenen, Linoleumboden. Erinnere mich noch an die darauffolgende Stichflamme und die Backpfeife meines Vaters. Ich bekam noch eine Schwester hinzu. Brigitte wurde sie genannt und die Namensfindung scheint einfach gewesen zu sein, denn meine Tante hieß ebenso. Sie war im Gegensatz zu meinem leider verstorbenen Bruder, kerngesund. Wie gesagt es war ein altes Fachwerkhaus und kaum renoviert damals Ende der 60er. Vage weiß ich nur wie ein Teil der Decke mal herunter brach, so zirka ein Quadratmeter und meine darunter liegende Schwester knapp verfehlte. Auch hatten wir damals ein Wanzen-Problem in dieser Wohnung. ich hatte immer wieder Bisse von ihnen am Körper.
Vater & Mutter Ende 60er
Vielleicht lag es auch an diesen Biestern das ich zu dieser Zeit meine Neurodermitis bekam, die mir mein restliches Leben ausschlaggebend schwer machte. Vielleicht lag es auch an der Geschichte die meine Großmutter, die meine Mutter absolut nicht ausstehen konnte, angeblich fand sie immer volle Windeln unter der Matratze meines Kinderwagens. Laut meiner Großmutter soll meine Mutter nicht gerade pfleglich umgegangen sein. Ich selbst kann dazu nichts sagen, war ja zu klein um das alles mitzubekommen. In dem Haus gegenüber lebte ein ältere Frau, die den lieben langen Tag immer wieder am Fenster saß und die Leute beobachtete. Mein Vater hatte immer darüber geschimpft, Was glotzt die blöde Kuh immer so? Meine Mutter erzählte dann immer wieder die Geschichte mit mir, als sie in der Straßenbahn fuhr. Ein ältere Dame soll mich betrachetet haben und ich soll ich gesagt haben, Was glotzt du so, du blöde Kuh. Meine Mutter versank vor Scham in den Boden.
Eltern, Oma, Schwieger-Opa,Groß-Tanten
Meinen Großvater habe ich leider nie kennengelernt, er verstarb zu früh. Er hatte einen Schuhladen am Rathenauplatz Ende 50er, Anfang 60er Jahre.
Meine Oma hat dann wenig Jahre später einen Großbäcker der Firma Häberlein & Metzger (eine Lebkuchenfabrik) geheiratet. Ein absolut geiziger Mann, aber doch irgendwie immer fröhlich, auch wenn meine Oma nichts zu sagen hatte zu Hause, so zumindest kam es mir immer vor, doch sie liebten sich sehr. Er war wohl ein Vorreiter der Grünen. Denn er sammelte schon damals das Wasser für die Toilettenspülung, von der Waschmaschine.
Viele Erinnerungen, zumindest an die schönen Dinge dort in der Kleinweidemühle sind bei mir nicht mehr hängengeblieben. Im Haus wohnte noch ein Türkenjunge in meinem Alter, denke so 5 bis 6 Jahre alt, mit dem ich immer auf der Straße herumzog. Einmal soll ich aus dem zweiten Stock meine sämtlichen Spielsachen aus dem Fenster geworfen haben, weil ich mit ihm auf der Straße spielen wollte. In die Wohnung durfte er nicht, mein Vater war ja Nachtportier und schlief deshalb
Vorplatz Kleinweidemühle
tagsüber und wir mussten leise sein, sonst setzte es was.
Daher spielten wir auch des öfteren auf der naheliegenden Großbaustelle, heute steht dort die Wilhelm-Löhe-Schule. Es gab da diese kleinen Plastiksoldaten, die Packung kostete ca eine Mark. Mit diesen Plastiksoldaten spielte ich oft den ganzen Tag. Vielleicht findet man meine verlorenen Soldaten noch, falls man jemals die Löhe-Schule abreisst.
Helga Schlack
Im Hotel Victoria, in dem mein Vater gearbeitet hat, gaben sich die Filmstars anscheinend die Klinke in die Hand. Er erzählte oft von Peter Alexander oder wie er mit Johannes Heesters Nachts geknobelt hatte.
Aus dieser Zeit hat er mir zwei Autogrammkarten von George Nader und Helga Schlack überlassen. Beide spielten unter anderem in den Jerry Cotton Filmen mit.
Wir hatten damals einige Hirschgeweihe in der Wohnung hängen. Kleine und große Geweihe. Eines Tages kam mein Vater relativ aufgelöst nach Hause, nahme die Geweihe von der Wand und zerbrach diese in kleine Stücke und spülte sie das Klo hinunter. Später erfuhr ich das die Geweihe wohl Hehlerware gewesen ist und man hatte den Hehler damals erwischt. Die Kripo war auch da, aber sie hatten dann nichts mehr gefunden. 
George Nader
Nun fing langsam die "konfuse" Zeit an. Ob ich es noch so hundertprozentig hinbekomme weiß ich nicht, da ich das meiste nur noch aus Erzählungen weiß und wenig noch aus Erinnerungen schöpfen kann.
Im Hotel Garni am Plärrer hatte mein Vater eine neue Stelle als Nachtportier angetreten. Dort lernte er eine andere Frau kennen. Er, inzwischen ja zweifacher Vater begann mit ihr eine Beziehung. So betrog er meine Mutter sogar mit ihr im Ehebett. Meine Mutter erwischte sie dabei und im anschliessenden Kampf rupfte ihr die Nebenbuhlerin einen Büschel Haare aus dem Kopf, an die Szene habe ich noch ganz leichte Erinnerungen. Meine Mutter zog aus und nahm meine Schwester mit. Ich hingegen blieb bei meinem Vater. Mit der Nebenbuhlerin blieb mein Vater zusammen.
Kleinweidemühle Vorplatz und ich
Allerdings, und da weiß ich es nur aus Erzählungen, musste diese für ein Jahr ins Gefängnis, wegen Diebstahl soweit ich es noch im Kopf habe. Nun hatte mein Vater das Problem das er nicht wusste wohin mit mir. Ab und an durfte ich bei ihm im Hotel Garni übernachten, seine Chefin war recht nett, sie hat mir zum Beispiel das Schuhebinden beigebracht. Am Plärrer gab es damals noch den Plärrerautomat. das war eine Kneipe, ein Kiosk, öffentliche Toiletten und so ein Automat an dem man Blumen ziehen konnte. Der dortige Besitzer hieß Strohmann. mein Vater war dort ständig zu Gast und logischerweise auch ich. Ich war dort das Nesthäkchen, alle kümmerten sich um mich und passten auf mich auf. Ob Obdachlose oder auch normale Gäste, man kannte mich und eben auch meinen Vater. Einmal ließen sie mich die Tauben füttern, die es dort zuhauf gab. Es waren Reiskörner, schwergetränkt mit irgendeinem Schnaps. Die Tauben konnten nach der Fütterung von mir, kaum noch einen Meter geradeaus fliegen. Ja böse, ich weiß, doch damals war ich 5 oder 6 Jahre alt und wusste es eben nicht. Es kam dann dazu das mein Vater mich erstmal zu einer Familie steckte, diese hatten selbst mehrere Kinder, damit ich versorgt bin. Das einzige woran ich mich noch erinnere, das alle um einen Schwarzweiß-Fernseher saßen  und eine Mondlandung ansahen. Wann das war keine Ahnung mehr.
Ich  mit ca 5 Monaten und meine Mutter
Doch auch dort war ich nicht lange und mein Vater brachte mich wieder bei jemanden anderen unter. Es war ein Pärchen, keine Ahnung ob verheiratet oder nicht, aber er war Alkoholiker. Ich kann mich noch daran erinnern als er betrunken nach Hause kam und brüllend auf die Frau einschlug. Vor lauter Angst hatte ich mich in einem Wäschekorb versteckt. So ein oder zwei Wochen war ich dann bei denen.
Als nächstes brachte er mich bei einem Zigeunerpärchen unter. Diese waren recht nett, obwohl auch sie dem Alkohol zugetan war. Von ihnen bekam ich mein erstes Haustier, eine Schildkröte. Zu dieser Zeit war es noch üblich das an Haustüren Knöpfe verkauft wurden. Ich musste immer mit und sollte die alten Damen unterhalten, so jung wie ich war wusste ich nicht was dahinter stand. Einmal hatte ich beobachtet wie meine "Pflegemutter" aus einer Geldbörse, einer dieser Kundinnen, Geld stibitzte. Dafür wurde ich also zweckentfemdet. Das Pärchen ist im übrigen Schuld daran, das ich Rosenkohl so hasse. Sie hatten mich da mal gezwungen den zu essen, seitdem hebt es mich schon wenn ich Rosenkohl rieche. Bei dem Pärchen war ich zirka ein halbes Jahr, dazwischen immer mal wieder im Hotel bei meinem Vater.
Die zweite Frau meines Vaters
Im Hotel Garni am Plärrer
Nach diesem hin und her Geschiebe meiner Wenigkeit, habe ich eine Gedächtnislücke. Die Nebenbuhlerin kam aus dem Knast, sie haben dann geheiratet und wir zogen um in die Spenglerstraße, da war ich sieben Jahre alt. Es war eine Drei-Zimmerwohnung mit Küche und Klo, aber ohne Bad. Inzwischen wurde meine Stiefschwester und mein Stiefbruder geboren, dies geschah in zwei Jahres Abständen. Meine Neurodermitis war zu diesem Zeitpunkt auf dem Höhepunkt, an allen Beugen und im Gesicht war es extrem schlimm. Oft konnte ich meine Hände nicht mehr ballen weil sie sonst aufplatzten. Ständiges Kratzen verursachte auch immer wieder Entzündungen. Genau da wurde ich eingeschult in die Nürnberger Knauerschule. Die Blicke der Mitschüler sehe ich heute noch. Es lag Ekel in ihren Augen. Einzig ein Schüler war von Anfang an nett zu mir. Max Ackermann hieß er und wohnte bei mir ums Eck in der Rothenburgerstraße. Seine Eltern hatten ein Metzgerei-Zubehör-Geschäft. Wir hatten Stunden damit verbracht über Science Fiction zu reden, naja eher über Raumschiff Enterprise und so ab der zweiten Klasse hatten wir da schon ein Faible für Erich van Däniken. Die Hänseleien der Kinder wegen meiner Neurodermitis ließen die ersten Tage nicht nach und es kam zu einer Rauferei mit einem Mitschüler. Die Rauferei verlor ich und ging heulend nach Hause. mein Vater fragte was los sei und ich erzählte es ihm. Er schickte mich dann einfach wieder zu den Jungen und sagte ich solle erst wieder heimkommen wenn ich gewonnen hätte. Gesagt, getan. Am nächsten Tag schnappte ich mir ihn und nahm ihn ordentlich in den Schwitzkasten, bis er aufgab. Ab diesen Zeitpunkt hatte ich großteils meine Ruhe. Hin und wieder gab es wieder kleinere Raufereien, aber diese gewann ich immer.
In der zweiten Klasse kam ein neuer Mitschüler zu uns. Es war ein Türkenjunge, er sprach kaum deutsch und war sehr still. In einer Pause geriet dieser mit einem aus der Hauptschule zusammen, der war aus der  7-9 Klasse ungefähr. Pause war vorbei, ich ging wieder ins Klassenzimmer. Nach ungefähr 10 Minuten kam auch der Türkenjunge wieder. Hemd zerissen, ein paar Schürfwunden und er setzte sich wieder als wäre nichts gewesen. Kurz darauf Martinshorn, der Sanitäter raste auf den Schulhof und da lag der Junge aus der Hauptschule. Da hat dieser Türke doch tatsächlich einen wesentlichen Älteren so verprügelt, das dieser mit einer Platzwunde am Kopf und einer leichten Gehirnerschütterung abgeholt werden musste. Ich persönlich hatte da Riesen-Respekt vor diesem Türken, sonst zwar nicht um eine Rauferei verlegen, aber mit dem hätte ich den Kürzeren gezogen. Ansonsten war es einfach nötig in meinem Stadtteil Gostenhof, Stärke zu zeigen. Raufereien ging ich nie aus dem Weg, wer mich wegen meiner Neurodermitis blöd anmachte wurde verprügelt. Oftmals hatte mich mein Freund Max zurückhalten müssen. Max war eher so der Typ Mamasöhnchen, eigentlich passten wir gar nicht zusammen und doch verstanden wir uns prima.
In der Schule selbst lief es relativ gut für mich, Einsen und Zweier waren normal für mich, doch Anfangs war es nicht so. Bei meinem ersten Diktat habe ich komplett versagt. Ich brachte eine Sechs nach Hause. Riesenanschiss von meinem Vater und er ließ mich das Dikat (Ri Ra Rutsch wir fahren mit der Kutsch...) in ein Heft schreiben, so an die 200 Mal und ich war damit irgendwann in der Nacht erst fertig, ein paar Stunden geschlafen und ab in die Schule. Dies war mir eine Lehre, allerdings so ziemlich das Einzigste wofür ich meinem Vater dankbar war. Meine Stiefmutter war da eher die Nette. Ich hatte auch nie das Gefühl, das ich zweite Geige, gegenüber ihren eigenen Kindern, spielte. Zum Deutsch lernen, hat sie mit mir immer das Galgenspiel gespielt.
Zu dieser Zeit gab es noch vom Arbeitgeber einen sogenannten Krankenschein, dieser wurde für die Arztbesuche benötigt. Mein Vater brauchte irgendein Medikament und ich sollte den Krankenschein im Hotel Garni abholen und beim Arzt mir ein Rezept geben lassen. Tja, unterwegs, nach dem Hotel Garni, auf dem Weg zum Arzt habe ich irgendwie den Schein verloren. In meiner Angst vor dem Ärger zu Hause, ging ich trotzdem zum Arzt und ließ mir ein Rezept für mich ausstellen. Brauchte ja jedesmal eine Creme für meine Neurodermitis, ergo war es kein Problem für mich. Kurz bevor ich in die Apotheke ging, schrieb ich auf das Rezept einfach nur die Arznei meines Vaters dazu. Mein kläglicher Versuch das Rezept zu fälschen fiel allerdings dem Apotheker auf und dieser verständigte meinen Vater. Zuhause angekommen rannte ich erst einmal auf das Klo und sperrte mich ein. Brüllend stand er vor der Tür und drohte damit diese einzutreten. Ich glaubte ihm und sperrte lieber auf. Drei Tage lang hatte ich noch Striemen von seinem Gürtel.
In dem Stadtteil Gostenhof, in dem ich wohnte, war in den 70ern der Anteil an Migranten relativ hoch. Auch die untere Mittelschicht war dort stark vertreten, entlang des heutigen Frankenschnellweg, gab es etliche Eisenbahnerwohnungen. Konflikte dort waren an der Tagesordnung. Ich weiß noch, wie man mich und Max damals mit Eisenstangen jagte. Wir hatten uns da in einem Innenhof versteckt und gewartet bis die Gruppe Türkenkinder weg waren. Am nächsten Tag hab ich dann ein paar Leute zusammengetrommelt und die Jungs im Schulhof gestellt. Es kam zu einer wüsten Rauferei, ohne einen richtigen Sieger. Wenn ich so im nachhinein überlege, schon witzig was man mit zirka neun Jahren schon alles trieb.
In meiner Klasse gab es einen Außenseiter, Peter hieß er. Es war ein stiller Junge, richtig unauffällig. Es war genau zu der Zeit, als David Carradine in der Serie "KungFu" im TV lief. Wir Kinder waren damals begeistert davon und ahmten immer die "KungFu"-Tritte nach. Einmal in einer Schulpause, machte ein Junge den Peter an, schubste ihn und wollte mit ihm raufen. Ich sah mir das von der Nähe an und schritt dann ein als ein zweiter Junge auch noch auf Peter losgehen wollte. Peter wehrte sich überraschend gut, aber zwei waren dann doch zuviel. Mit einem gezielten Tritt ins Gemächt, setzte ich einen außer Gefecht. Ich war sehr erschrocken, als er schreiend zusammensackte. Dachte nicht das ich da so genau treffen würde.
In der Klasse gab es zwei Mädchen die immer zusammenhingen, Agnes und Vera. Beide waren für mich damals wunderschöne Mädels. Doch schon mit neun Jahren dachte ich mir, dass ich wohl nie eine Frau abbekommen würde, schon alleine wegen meiner Hautkrankheit. Dieser Gedanke sollte mich noch sehr lange begleiten.
Eine Sache hatte ich ewig lange verdrängt und kam mir erst letztes Jahr wieder in Erinnerung. Ich muss so neun oder zehn gewesen sein, als ich eines Nachmittags nach der Schule nach Hause kam. Wie immer still und leise, mein Vater schlief ja meistens, aufgrund seines Berufes, zu dieser Zeit.
Die Schlafzimmertür grenzte zum Wohnzimmer, es war eine Schiebetür, doch statt geschlossen, war sie diesesmal einen Spalt geöffnet. Als kurz durch den Spalt blickte, sah ich dort meinen Vater liegen. Erst dachte ich er schläft, doch auf einmal sah ich das er aus den Handgelenken blutete. Er hatte sich die Pulsadern aufgeschnitten und stöhnte leise vor sich hin. Weiß nicht mehr wie ich da darauf kam sofort den Sanitäter anzurufen, entweder automatisch oder mein Vater hatte mich dazu aufgefordert.
Sanitäter kamen und nahmen ihn mit. Er war dann im Krankenhaus und ein paar Wochen in der Psychiatrischen Anstalt. Dieses Erlebnis wurde mir erst letztes Jahr wieder bewusst.
Es gab zu Hause oft Streit zwischen meiner Stiefmutter und meinem Vater, auch schlug er sie, wenn er mal wieder betrunken nach Hause kam. Wir Kinder saßen dann ängstlich in unserem Kinderzimmer, das wir uns zu Dritt geteilt haben.
Natürlich gab es auch schöne Sachen, zu dieser Zeit. Mag es nur die Spieleabende gewesen sein, mein Vater setzte für den Sieger immer eine Tafel Schokolade aus. Oder wenn ich nachmittags mit meiner Stiefmutter das "Galgenspiel" spielte. Nur irgendwie war da sehr wenig, was blieb.
Geld im Haushalt war immer knapp. Oft wurde ich zum Metzger geschickt oder in den Tante Emma Laden um anschreiben zu lassen. Keine Ahnung ob es die noch gibt, aber damals gab es oft eine Erbsensuppe, das war so eine Stange die man portionsweise im Wasser auflöste, mit Glück gab es auch ein paar Wiener dazu. Die obligatorischen Mohrenkopfsemmeln waren Pflicht in jeder Schulpause. Mein Vater hat oft gezockt, obin der Kneipe oder auch mit den Hotelgästen. "Chicago" meistens, ein Würfelspiel, bei dem er am besten betrügen konnte. So wurde das Haushaltsgeld aufgestockt.Immer wieder erzählt er gerne wie er Nachts im Hotel Johannes Heesters und Peter Alexander über den Tisch gezogen hat.
Mein Vater hörte recht gerne Rock'n Roll. Im Bayerischen Rundfunk gab es da eine Sendung die lief am Sonntagmorgen, der Name ist mir leider entfallen. Während mein Vater schlief, musste ich diese Sendung immer aufnehmen. Wir hatten dazu einen Musikschrank, Radio und Plattenspieler. Die Aufnahmen machte ich mit einem kleinen Cassettenrekorder und Mikrofon, dazu musste es natürlich still sein in der Wohnung. Unvorstellbar für die heutige Generation, viele wissen ja nicht einmal mehr was Vinyl ist. In diesem Sinne bezog mich mein Vater in seine Interessen mit ein, unter anderem auch in Boxen. Er holte mich Nachts um vier aus dem Bett, wenn wieder ein Boxkampf mit Cassius Clay bzw. Muhammed Ali im TV lief. Hab nur noch ein zwei Kämpfe im Kopf, Ali gegen Ken Norton hat sich da in meinem Kopf festgesetzt oder eben der berühmte *Rumble in the Jungle*.
Meine Schuppenflechte und meine Neurodermitis brachten mich des Öfteren ins Krankenhaus.
Hauptsächlich die Uni-Klinik blieb mir dabei im Kopf. Einmal wurde ich da als Anschauungsobjekt verwendet. Dabei wurde ich in den Saal geschoben und Studenten konnten mich betrachten, da meine Hautkrankheit wol dem Lehrbüchern entsprach. Irgendwie war es aufregend und abstoßend zugleich. Auf der Station waren fünf Kinder, einer davon hatte eine, ich sagte immer, verfaulte Gesichtshälfte.
Einmal zum Mittagsessen löffelten wir unsere Suppe, als es auf einmal *Plong* machte und bei dem Jungen mit der verfaulten Gesichtshälfte, lag ein Auge im Teller. Er hatte, was ich nicht wusste, in der verfaulten Gesichtshälfte ein Glasauge, das wohl mangels Halt, herausfiel. Das allein war schon unangenehm, aber als er es aus dem Teller nahm, ableckte und wieder in die vorgesehene Öffnung steckte, verging mir der Appetit.So richtig in den Griff bekam man meine Hautkrankheiten nie und diese prägte nicht unerheblich, mein Leben.
Vieles aus dieser Zeit, bis zum meinem elften Lebensjahr, habe ich verdrängt. Noch vage erinnere ich mich an einen Besuch meiner Mutter. Sie hatte inzwischen wieder geheiratet und zwei Kinder von diesem Mann. Ihre Tochter hatte sie erst kürzlich entbunden, Monika, und diese bei ihrem Besuch dabei. Andreas, das andere Kind, lernte ich erst später kennen. Monika lebte nicht lange, sie verstarb an Kindstod.
Die Jahre vergingen, es lief der normale Trott, zumindest in meiner *Normalität*. Mein Vater, der immer öfter betrunken nach Hause kam, meine Stiefmutter, die immer wieder mal von ihm geschlagen wurde, hatte dies irgendwann einmal satt. Ich kann nicht mehr sagen wie es zustande kam, aber eines Tages packte sie ein paar Sachen ein, schnappte uns drei Kinder und ging zu einer Bekannten ein paar Häuser weiter.
Dort verblieben wir ein paar Tage, schliefen zu viert in einem Zimmer und ich wusste nicht so genau warum. Ein paar Tage später bat mich meine Stiefmutter in unsere Wohnung zu sehen, denn mir würde mein Vater ja nichts tun. Also lief ich los, mit gehörigen Bammel. Als ich im vierten Stock ankam, hörte ich Geschrei und eine Menge Lärm. Die Wohnungstür war nur angelehnt und ich schlich mit weichen Knien hinein. Genau in diesem Moment sah ich meinen Vater wie er den Wohnzimmerschrank packte und umwarf. Völlig verängstigt rannte ich aus der Wohnung und zu meiner Stiefmutter zurück. Sie rief die Polizei und mein Vater würde festgenommen. Er kam dann in die psychiatrische Anstalt nach Ansbach. In der Zwischenzeit gingen wir wieder in die Wohnung, die ziemlich demoliert war, zurück. Ab hier habe ich einige Gedächnislücken, vermutlich verdrängt. Er, mein Vater kam zurück, sie ging fort mit meinen beiden Geschwistern und ich blieb. Es war an meinem 11.Geburtstag und meine Mutter besuchte mich. Ich sollte mit zu ihr ein paar Tage, da mein Vater noch etwas zu erledigen hatte.
Mutter/Schwester/Stiefbruder
Meine Mutter lebte in Zirndorf, war wieder verheiratet mit einem Stukateur und hatte mit Andreas noch ein Kind. Auch eine Tochter hatte sie, die ich nur einmal kurz sah, doch diese verstarb am Kindstod. Vielleicht der Hauptgrund dafür, das ihr neuer Mann zu einem Alkoholiker wurde, seine Arbeit auf dem Bau dürfte ihr übriges dazu getan haben.
Nun war ich also hier, in einer für mich völlig neuen Umgebung und mit dem Glauben das ich wieder zurück zu meinen Vater kommen würde. Nach zirka einer Woche, weiß es nicht mehr so genau, fragte mich meine Mutter ob ich es mir vorstellen könnte länger zu bleiben, da mein Vater sich noch nicht gemeldet hatte. Nun was sollte ich machen außer es zu bejahen.
Mutter & Stiefvater
So um ein-zwei Monate dauerte nun schon mein "Besuch" und ich hatte inzwischen schon ein eigenes Zimmer unter dem Dach. Mir wurde so langsam bewusst das ich wohl für immer bleiben müsste. Nun kommt der Filmriss bei mir und ich bekomme es nur noch vage zusammen.
Mein Vater besuchte mich und erklärte das er sich nicht mehr um mich kümmern könnte und ich bei meiner Mutter bleiben musste. Danach, ein paar Tage später, ging es auf`s Jugendamt und dort wurde ich gefragt ob ich bei meiner Mutter leben wollte. So abgestumpft wie ich mit 11 Jahren schon  war, bejahte ich die Frage.
Nun lebte ich, ganz offiziell, in Zirndorf und kam in die wohl, für mich, schlimmste Schule. Dieses ganze Hin und Her war natürlich Gift für meine Neurodermitis, dementsprechend sah ich auch aus.
Die Hände trocken und aufgesprungen, auch jede Beuge am Körper war davon befallen. Oft nässte es auch, manchmal ekelte ich mich vor mir selbst.
Nun erinnere ich mich wieder an einen meinen zahlreichen Aufenthalte in der Hautklinik. ich muss so um die 8-9 Jahre alt gewesen sein.Wieder einmal wurde ich zur Behandlung eingeliefert, diesesmal in die Uni-Klinik in Erlangen. Dort waren auf dem Stationszimmer vier Kinder. Einer von ihnen, keine Ahnung was er hatte, sah richtig ekelhaft im Gesicht aus. Die linke Gesichtshälfte sah irgendwie verfault aus. Beim Mittagessen passierte es dann. Als wir Suppe löffelten, hörte ich auf einmal ein Geräusch, als würde ein Glas auf Glas treffen. Es war aber Glas auf Porzellan, der Junge verlor sein Glasauge, denn es fiel einfach raus und in die Suppe hinein. Er nahm es an sich, lutschte es ab und setzte es wieder ein. Ich hatte an diesem Tag kaum noch Appetit.
Gedanklich zurück nach Zirndorf. Bei meinem Stiefvater merkte ich bald, das auch dieser dem Alkohol nicht abgeneigt war und des öfteren betrunken nach Hause kam. So richtig wirklich hat mich dies schon nicht mehr interessiert, war ich es ja schon fast gewöhnt von Betrunkenen umgeben zu sein. Meine erster Schultag dann, ich nahm mir vor nicht auf Provokationen zu meiner Haut einzugehen, war wie erwartet. Blicke der Klassenkameraden, von Ekel erfüllt, es gab nur ein zwei Kinder in der Fünften Klasse, die mich fragten was ich da habe und ob es ansteckend sei. Schon in der ersten Pause wurde ich provoziert. Man schubste mich rum, sie waren meist mehrere Jungs und beleidigten mich als Aussätzigen, Leprakranken oder Elefantenmenschen. Meine Versuche ihnen zu erklären was ich für eine Krankheit hatte schlugen fehl, es interessiert schlichtweg keinen. Mich dagegen zu wehren, mit Worten sinnlos und mit körperlicher Gegenwehr keine Chance, da diese immer mindestens zu dritt waren.Eines habe ich zu diesem Zeitpunkt gemerkt, wenn man einmal Schwäche zeigt, hat man verloren.
Lind - Tulpenstrasse - 2014
In der Nähe von Zirndorf liegt das kleine Dorf Lind. Der Vater meiner Mutter lebte dort und ich sah diesen das erste Mal bei einem Besuch. Er hatte Magenkrebs und um die Schmerzen zu unterdrücken trank er sogar Spiritus, so zumindest hatte es mir meine Mutter erzählt. Gesprochen hatte ich mit ihm nie, sah in nur auf der Couch wie ein Häuflein Elend liegen. Großvater war Hasenzüchter und hatte so um die 200 Hasen verschiedenster Rassen, untergebracht in zwei Gartenhäusern, doch dazu später mehr, viel mehr.
Meine schulischen Leistungen waren eigentlich bis zur vierten Klasse immer sehr gut bis gut. Mir fiel die Schule immer relativ leicht. Nun gut Anfangs in der ersten Klasse hatte ich mal Schwierigkeiten mit einem Diktat, kam mit einer Sechs nach Hause und mein Vater war  so erbost darüber, das ich es 100 mal schreiben musste, dauerte bis in die Nacht hinein, doch die Nachschrift schloss ich mit einer Eins ab und ab diesem Zeitpunkt passierte mir so etwas nicht mehr.
In Zirndorf war es dann vorbei, es hagelte Vierer und Fünfer. Einerseits denke ich wegen der ganzen Umstellung im Privatleben und andererseits mein Außenseiter Dasein in der Zirndorfer Schule.
Die Hänseleien dort wurden immer schlimmer und so nach zwei Monaten beschloss ich nicht mehr hinzugehen. Morgens zwar aus dem Haus, aber dann die Schulzeit auf einem nahegelegenen Spielplatz verbracht. Nun ja bis eben nach einer Woche die Polizei vor der Türe stand und mich zur Schule begleitete.
In Zirndorf lernte ich übrigens das Radfahren und dies mit 11 Jahren, in Nürnberg ging dies nicht bzw keiner brachte es mir bei.
Ein Erlebnis in Zirndorf geschah auf dem von mir bereits erwähnten Spielplatz. Einen Freund hatte ich zumindest, er war der jüngere Sohn des damaligen Besitzers vom Hotel Rangau. Mit dem Älteren konnte ich gar nicht, der dürfte so 16-17 Jahre alt gewesen sein. Dieser behandelte mich genauso abfällig wie meine Schulkameraden. Von der Erscheinung her wirkt er wie ein Berg für mich und ich hatte auch Angst vor ihm. An einem Tag war ich wieder auf diesem Spielplatz, der aus einer Schwebebahn, langes Seil mit Autoreifen zum Seilbahnspielen keine Ahnung wie das hieß und einem Spielhaus bestand. Während des Spielens stand auf einmal der Bruder meines Freundes hinter mir. Er zwang mich in das Spielhaus zu gehen, sonst würde es Prügel geben. Zitternd vor Angst begab ich mich ins Spielhaus. Er stand lächelnd am Eingang des Spielhauses und forderte mich auf den Gürtel zu öffnen. Heulend und zitternd vor Angst weigerte ich mich. Er brüllt mich an das ich es machen soll, sonst würde es Prügel setzen, doch plötzlich drehte er sich um und verschwand. Anscheinend hatte er was gehört oder irgendwer kam, ich weiß es nicht, aber ich war erleichtert. Bis heute kann ich nicht sagen, ob mich dieser Junge nur erschrecken wollte oder ob wirklich eine Absicht dahinter stand.
Opa und seine zweite Frau
Dann starb mein Großvater aus Lind, an seiner Krebserkrankung. Es ging nun um das Erbe des Hauses dort. Meiner Mutter wurde es zugesprochen, die restlichen Geschwister wurden von ihr ausbezahlt. Finanziell ein wohl großer Kraftakt, denn die Jahre danach waren schwierig. Ich erbte die Stallkaninchen, es müssen so um die 200 gewesen sein. Meine anfängliche Freude darüber, schwand aufgrund der ganzen Arbeit die ich damit hatte. Mein Großvater hatte eine zweite Frau, dieser wurde ein lebenslanges Wohnrecht eingeräumt. Ein nette Frau, Inge hieß sie, aber leider auch dem Alkohol nicht abgeneigt. Nun hieß es umziehen und zu meiner Erleichterung auch eine neue Schule.
Onkel Willi vor Hasen-stall/haus
Mein erster Tag in der Schule Wintersdorf kam. Es ging mit dem Schulbus los, ich beäugte erstmal alle die dort mitfuhren, es waren so fünfzehn Kinder aller Altersklassen und war, geprägt durch Zirndorf, sehr mißtrauisch.  In der Schule angekommen, ab ins Rektorat zum anmelden. Man führte mich ins Klassenzimmer, es war das zweite Halbjahr der Fünften Klasse, und für die Schüler eher ungewöhnlich wenn zu dieser zeit ein Neuer kommt. Ich wusste nur eines, so untergehen wie in Zirndorf werde ich hier nicht und fragte meinen Sitznachbarn gleich, wer hier der Rudelsführer sei.
Es war ein gewisser Horst. Die ersten beiden Stunden war das Getuschel natürlich gross, war ich doch ein Stadtjunge und hatte eine "seltsame" Haut. Es kam die erste Pause und natürlich wurde ich da auf mein Ekzem angesprochen, von Horst, beleidigend und es knallte. Damals raufte man zumeist noch, da waren Fausthiebe weniger gesehen und man nahm sein Gegenüber eben solange in den Schwitzkasten bis er aufgab.Genauso geschah es dann, nach dem üblichen hin und her konnte ich ihn überwältigen und nahm ihn in den Schwitzkasten, bis er aufgab. Von da an hatte ich so ziemlich meine Ruhe und nach Erklärung was es mit meiner Hautkrankheit auf sich hatte, wurde ich mit anderen Augen betrachtet und hatte auch schnell einen Freundeskreis.
Wie bereits angemerkt, ging es uns finanziell nicht so gut. Dach über den Kopf, Essen im Kühlschrank, dies war gegeben, doch so etwas wie Taschengeld gab es nicht für mich. Somit hieß es für mich, mit knapp 12 Jahren, selbst etwas tun. Für mich als Stadtjungen war es schon ein Erlebnis einen Bauernhof zu sehen. Woher Fleisch, Milch und Eier kommen, kannte man ja nur aus Büchern. Bei diversen Bauern hackte ich Holz, Stall ausmisten und eben solche Sachen die mir irgendwie etwas Geld brachten. Von dem Ersparten kaufte ich mir einen Cassettenrecorder von der Quelle (Warenversandhaus). Zu dieser Zeit stand ich noch hauptsächlich auf die Musik aus den 50ern. Elvis Presley, Buddy Holly oder aus Fats Domino, eigentlich Musik die meinem Alter nicht ganz entsprach. Im B3 gab es die Sendung "Aus meiner Rocktasche" die ich immer aufnahm, heutzutage undenkbar Rec oder Pause drücken zu müssen und dabei entweder ein teilweise abgeschnittenes Lied bzw. denKommentator im Song zu haben. Den Faible für Rock'n Roll hatte ich wohl von meinem Vater. Für diesen musste ich immer die Musik aufnehmen. Dies geschah mit einem kleinen Rekorder und Mikrofon vor dem Musikschrank, dabei mussten natürlich alle ganz still sein, damit keine Hintergrundgeräusche mitaufgenommen wurden.
In der Schule lief es besser, hatte Freunde und eigentlich Spaß daran. Daheim war es anders. Meine Mutter bemühte sich alles irgendwie zu managen. Sie arbeitete als Putzfrau in der Zirndorfer Pinder Barracks, eine US-Kaserne,  um uns finanzielle einigermaßen über Wasser zu halten. Mein Stiefvater war als Stukkateur unterwegs und kam eigentlich täglich angetrunken nach Hause. Ich verzog mich dann jedesmal in mein Zimmer, denn er war dabei immer unerträglich.
Die Hasenzucht lief besser wie erwartet, inzwischen war ich in einem Kleintierzuchtverein in Zirndorf Mitglied (B475) und hatte dabei sehr gute Erfolge. Die besten Hasen, bei mir waren es Weisse Wiener, brachten mir gute Platzierungen und oftmals auch Siege. So war ich einmal 3. bei der Süddeutschen Jugend-Meisterschaft in Stuttgart. Allerdings war es auch mühseli, jeden Morgen raus um Sechs und Hasen versorgen. Es verging dabei oft über eine Stunde bis ich fertig war. Am Wochenende ging es an Ställe reinigen und ans schlachten. Die weniger "gut aussehenden" Hasen wurden zum Eigenverzehr und für den Verkauf geschlachtet, die Felle getrocknet und meist Kissen-Überzüge daraus gemacht. Den ersten Hasen den ich töten musste, war für mich als 12-jähriger schon hart wie ich zugeben muss, aber danach fiel es mir wesentlich leichter. Erst gezielter Nackenschlag, dann Kehle durch, Fell ab und Innereien entfernen. Oft waren es bis zu fünf Hasen an einem Samstag die ich schlachten musste. Bei der Versorgung der Hasen musste ich immer mehr niesen, die Augen tränten und mein Neurodermitis wurde stärker. Zu dieser Zeit war das Thema Allergien erst so richtig am Kommen und mein Arzt (jenseits der 70) konnte erst nichts damit richtiges anfangen. Es kam dann damals noch Asthma hinzu und damit war nun endgültig klar, ich war allergisch gegen so ziemlich alles was blühte, haarte oder gestaubt hat. Zur Linderung des Ganzem wurde mir eine Kur verschrieben.

Die Kur fand im schweizerischem Davos statt, inklusive Ersatz-Unterricht, was ich dort erlebte war schon derbe. Was heutzutage für viele normal ist, nämlich in das Ausland zu reisen, war für mich hingegen das erste Mal, dementsprechend aufgeregt war ich. Mit meiner Mutter ging es per Bahn nach Davos, es müssen so 6-8 Stunden Fahrt gewesen sein, ganz ohne Handy, IPad oder Notebook (gab ja noch nichts davon), sondern Buch und Kartenspiele. Angekommen in Davos hieß es erstmal rauf auf den Berg, den dort lag das Kur-Krankenhaus von dem aus konnte man ganz Davos überblicken. Es gab dort auch Dauergäste, zwei Jungs um die 16-18 Jahre alt, die meist nur ein bis zweimal im Monat nach Hause fuhren, aber ansonsten im Kur-Krankenhaus lebten. Jeder vonihnen hatte dort ein eigenes Zimmer. Es war schon irgendwie klar, das diese beiden dort das Sagen hatten und wir die Jüngeren mussten kuschen. Die Tage waren geprägt mit medizinischer Behandlung, bei mir war es Ganzkörper-Cremen und die Höhenluft sollte das Asthma lindern. Unterricht gab es immer so um die vier Stunden, nachmittags meistens ein Spaziergang auf einem nahegelegenen Wanderweg.Dort, für mich faszinierend, waren Meisen und Eichhörnchen so zutraulich, das sie einem aus der Hand fraßen. Nach dem Abendessen waren wir meist uns selbst überlassen und das Regime der beiden Dauergäste begann. So kam es eines Abends das sie vom Toilettenfenster aus, auf einen kleinen Steg stiegen und in die Ortschaft gingen. Nicht weiter schlimm möchte man meinen, aber der Weg vom Fenster zu dem Steg war nicht ungefährlich, ging es doch dort ca 20 Meter in die Tiefe und man musste da knapp eineinhalb Meter überbrücken.Eines Tages war es dann wieder soweit und die beiden Dauergäste wollten wieder los und ein paar von uns, auch ich, mussten mit zu einer Mutprobe. Mir reichte eigentlich schon der Übergang vom Fenster zum Steg, damit es mir mulmig wurde und eigentlich war das schon mutig genug. Die Jungs gingen quer durch den Wald den Berg hinauf bis wir vor einem Wasserfall standen, leider nicht unten sondern eben oben wo er begann. Der Wasserfall hatte eine Höhe von zirka 25 Metern und war mit 1,5 Metern nicht besonders breit, allerdings waren die Ränder sehr glitschig. Zur Mutprobe zählte, das man rübersprang und eben wieder zurücksprang. Ausgerüstet mit dem perfekten Schuhwerk, Turnschuhen, sprang ich mit ordentlichem Schiss in der Hose rüber und gleich darauf zurück. Beim Rücksprung zog es mir ein Bein weg, aber einer der Jungs hielt mich zum Glück fest. Nun gehörte ich auch zu dem Haufen dazu und war schon ein klein wenig stolz darauf.
So ziemlich in der Stadtmitte gab es ein Eishockeystadion, unüberdacht und wir guckten vom Balkon des Kurhauses mit den Ferngläsern immer wieder mal zu. Eine Nachtschwester gab es zwar dort, aber diese ließ so einiges durchgehen. Auch glaubte ich das sie etwas mit einem der Dauergäste etwas hatte oder warum musste sie mit ins Bad wenn er drin war? Aber ok, ich war noch zu jung um mir da wirklich Gedanken darüber machen zu können. Eines Abends kam wieder einer der Dauergäste zu uns in den Schlafraum und wollte mit mir boxen (ich war da inzwischen ein Jahr schon in einem Boxverein). Er hatte sogar Boxhandschuhe, wobei meine etwas groß ausfielen, war ich doch erst 12 und er so um die 18. Alle anderen der Stadion saßen auf den Betten, die wir zu einem Ring formten, und sahen uns zu. Keiner hatte mir auch nur einen Hauch an Chance gegeben und ich eigentlich auch nicht. Nur meistens kommt es anders als man denkt.

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Kommentare

Feingeist hat gesagt…
Wow - harte Nummer, gut erzählt! Vieles erinnert mich an meine eigene Kindheit (Star Trek, Kung Fu, Mondlandung).
Außerdem stammen meine Großeltern und meine Mutter auch aus Nürnberg. Mein Opa war Ingenieur bei der Eisenbahn und hatte eine kleine Wohnung in der Nähe des Frankenschnellwegs. Wir waren dort oft zu Besuch.
Dein Text weckt auch in mir viele alte Erinnerungen, danke dafür! Freue mich schon auf die Fortsetzung...
KlickKlaus hat gesagt…
Die Eisenbahenerwohnungen... yep 100-200 Meter entfernt von mir damals gewesen.
Schreib ja noch weiter daran, wird noch heftiger ...
Muss mal wieder was schreiben ;-)
KlickKlaus hat gesagt…
Kommentiert mal bitte.... ;-)
El-Darm hat gesagt…
Früher war die Welt einfach. Da kam es nur drauf an ob am als Kind zu oft oder zu selten die Hucke voll bekommen hat. Inzwischen wird alles immer komplizierter. DIe Frau will was, die Kinder wollen was, das Finanzamt will was, das Jobcenter will was. Die können einfach nicht einsehen, das wir für Volk und Vaterland kämpfen. und selbst wenn wir uns einmal in der Wochen mit den Rentnern zum Chor treffen, bei dem die Hälfte weder den Ton trifft geschweige denn eine Gesangsstimme hat können wir damit gegen den Untergang des Abendlandes protestieren. Fragen sie einfach das per Ventilatorum, das weiss Bescheid. In diesem Sinne, bessern Sie sich.